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Nachfahre von Sattler Julius Neuhaus besuchte Westerburg

Ricardo Scheinkman aus Brasilien freut sich über Empfang im RathausWbg. Stadt Besuch Brasilien 08 2021.1 v1

Dieser Tage besuchte ein Nachfahre des ehemaligen jüdischen Mitbürgers Julius Neuhaus die Stadt Westerburg. Stadtbürgermeister Janick Pape hieß gemeinsam mit der ehemaligen Stadtarchivarin, Maria Meurer, Ricardo Scheinkman im Sitzungssaal „Siegfried von Westerburg“ des Rathauses herzlich willkommen. Der 41-Jährige hat zwar die deutsche Staatsangehörigkeit,

spricht aber kein Deutsch, so dass die Unterhaltung in englischer Sprache geführt wurde.

Wie zu erfahren war, ist Ricardo Scheinkman der Enkel des 1935 nach Brasilien ausgewanderten Westerburger Juden, Sattler Julius Neuhaus. „Das Titelbild meines Buches zeigt Mitglieder der Familie Neuhaus: Urgroßvater Louis Neuhaus, Großvater Julius (Mitte) und Großonkel Max. Die Geschichte der Familie Louis Neuhaus ist auf den Seiten 275 - 294 abgedruckt, speziell von Julius auf den Seiten 283 - 284“, erläuterte Maria Meurer.

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von links: Stadtbürgermeister Janick Pape, Ricardo Scheinkman und Maria Meurer

In den vergangenen Jahren hatte sie häufig Kontakt zur Familie des Gastes. Für Ricardo Scheinkman war es der erste Besuch in der alten Heimatstadt seiner Vorfahren. „Westerburg is a beautiful town“, bekundete er seine Begeisterung. „Wir haben eine mehrstündige Stadtführung gemacht“, berichtete Maria Meurer. Vom Haus Kaesberger in der Neustraße ging es zur früheren Synagoge, in die Kirchstraße und zum Gedenkplatz, wo die ehemalige Fuld´sche Zigarrenfabrik stand. Wichtig war es dem 41-Jährigen aber auch, den jüdischen Friedhof zu besuchen. Um die Wurzeln seiner Familie zu erkunden, machten sie Station in der Willmenroder Straße. Dort - in der ehemaligen Bahnhofstraße 27 - stand das Elternhaus von Julius Neuhaus, der ebenso wie sein Vater Louis den Beruf des Sattlers ausübte und einen Möbelhandel betrieb.

„Auch dessen Sohn Kurt hatte in Brasilien vor der Gestapo Zuflucht gesucht. Als sein Bruder Julius dann dort im Hafen von Rio de Janeiro nachkam, gab es dort die typische Westerwälder Begrüßung: Hui Wäller? Allemol!“, erzählte Maria Meurer, die sich schon seit vielen Jahren für die Geschichte der Westerburger Juden interessiert und in Veröffentlichungen für die Nachwelt festhält. So kam es dann auch zum Kontakt zur Familie Neuhaus. Die Tante von Ricardo Scheinkman, Ruth Neuhaus, war im November 2019 zur Buchpräsentation von „Verfolgt – Vertrieben – Vernichtet – Die Lebensgeschichten von 140 jüdischen Opfern des Naziregimes“ von Maria Meurer nach Westerburg gekommen.

Im Jahr 1933 gab es in Westerburg 88 jüdische Mitbürger. Seinerzeit machte der Anteil rund fünf Prozent aus. „Es war keine gute Zeit und wir wollen hoffen, dass es sich nicht wiederholt“, darüber waren sich die Gesprächspartner einig. Vielmehr solle jetzt das Augenmerk auf eine gute und nähere Beziehung gelegt und das Miteinander gepflegt werden, freut sich die neue Generation über das gegenseitige Kennenlernen. Im Laufe der Unterhaltung kamen dann auch die Ansiedlung der Industrie- und Handwerksbetriebe, Vereine, Stadtgeschichte der jeweiligen Heimatstädte sowie andere Themen zur Sprache.

Am späten Nachmittag verabschiedete sich Scheinkman mit dem neuem Ziel Straßburg. Zuvor war er in Zürich, Berlin und Frankfurt. Geboren in Brasilien wohnt er in Brasilien, für Monate jedoch in Italien. Er macht Geschäfte in Brasilien, Israel, USA und Europa. „Er ist ein Globetrotter“, sagte Meurer in Bezug auf die Reisefreudigkeit des Gastes. Zusammen mit ihm besuchte sie Hachenburg, den Stöffel-Park in Enspel, den Wiesensee und gab ihm während einer Rundfahrt Einblicke in die Landschaft des hohen Westerwaldes. Zum Abschied überreichte ihm der Stadtbürgermeister neben einem Stadtwappen als Anstecker auch eine Stadtfahne als Erinnerungsgeschenk. (Text und Foto: Ulrike Preis)