Die von Lehrer Lillinger geführte Schulchronik von Gershasen
Neue „Schriften des Stadtarchivs Westerburg“ präsentiert
Reinhold Lillinger war von 1908 bis 1946 Dorfschullehrer der mehrklassigen Volksschule in der Ortsgemeinde Gershasen, die seit den 1960er Jahren ein Stadtteil Westerburgs ist. Zu seinen Pflichten gehörte auch das Führen einer Chronik, in der neben schulischen Angelegenheiten die wichtigsten Ereignisse des Landes und der Gemeinde niedergeschrieben sind. Lillingers Aufzeichnungen wurden vom Westerburger
Stadtarchivar Rüdiger Klees aufbereitet, gekürzt und mit weiteren Informationen zur Person sowie einigen Abbildungen ergänzt und kommentiert. So entstand eine 76-seitige Broschüre, die den Titel „Im festen Bewusstsein, nur meine Pflicht getan zu haben“ - Die von 1908 bis 1946 vom Lehrer Lillinger geführte Schulchronik von Gershasen, trägt. Diese Veröffentlichung ist das dritte Heft der „Schriften des Stadtarchivs Westerburg“, die 2021 in der Tradition der Westerburger Hefte ins Leben gerufen wurden.
I
m Backes-, Heimat- und Ofenbauermuseum in Gershasen fand dieser Tage die Präsentation dieses Heftes statt. Stadtbürgermeister Janick Pape und Stadtarchivar Rüdiger Klees freuten sich, dass auch einige Mitglieder der Geschichtswerkstatt Westerburg zu diesem besonderen Anlass gekommen waren. Eingeladen waren auch die Stadtbeigeordneten und die Fraktionsvorsitzenden des Stadtrats. Ein herzliches Willkommen galt Martha Zube. Die 91-Jährige hat als Zeitzeugin noch viele Erinnerungen an den damaligen Dorflehrer, der in Betzdorf/Sieg geboren wurde und kurz vor seinem 21. Geburtstag den Schuldienst in Gershasen begann.
Stadtbürgermeister Janick Pape und Stadtarchivar Rüdiger Klees freuen sich über die Veröffentlichung des dritten Heftes der „Schriften des Stadtarchivs Westerburg“, welches sich mit der Schulchronik von Gershasen beschäftigt.
76 lesenswerte Seiten
„Wir freuen uns über die Veröffentlichung dieses dritten Heftes unseres Stadtarchivars. Die Schulchronik ist ein einzigartiges Zeitzeugnis, das mit dem vorliegenden Werk beleuchtet, aufgearbeitet und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird“, so der Stadtbürgermeister. Nach den beiden ersten Heften, die sich mit Westerburgs Ehrenbürger Gerhard Krempel und Gräfin Seraphine beschäftigen, sei es schön, dass nun auch ein Westerburger Stadtteil im Mittelpunkt der Arbeit gestanden habe. „Ich durfte das Heft mit als Erster lesen und war sehr beeindruckt“, hob Pape hervor. Die akribischen Aufzeichnungen von Lillinger seien ein einzigartiges Zeugnis für diese Zeit. „Sie dokumentieren den technischen Fortschritt der Landbevölkerung in vielen Bereichen wie der Wasserversorgung, der Medizin und der Fortbewegungsmittel und die dadurch entfachte Technikgläubigkeit, die uns heute einerseits arglos und gleichzeitig aus unserem eigenen Leben bekannt vorkommen mag. Seine weltanschaulichen Überzeugungen sind mit unseren heutigen Werten unvereinbar. Sie entstammen einer anderen Epoche, aber sie mahnen uns vor der Verletzlichkeit unserer Demokratie, unseres Rechtsstaates und nicht zuletzt unseres Friedens. Sie sind eine Warnung vor der Gefahr von Totalitarismus, Krieg, Gewalt und letztendlicher Zerstörung, die in der heutigen Zeit unbedingt gehört werden muss“, gab Pape wie im Vorwort des Heftes zu bedenken. „Ich lege ihnen dieses lesenswerte Werk ans Herz“, so der Stadtbürgermeister abschließend.
Guter Beobachter und Schreiber
„Reinhold Lillinger war ein sehr guter Beobachter. Seine Schrift ist sauber und ordentlich und gut zu lesen, seine Texte sind von einer erfrischenden Eindringlichkeit und eine einzigartige Quelle aus dieser Zeit für unsere Region“, so der Stadtarchivar. Die Lust auf‘s Lesen weckt Klees auch mit seinem Hinweis: „Lillinger war ein Erzähler und ein sehr guter. Er hat das Führen der Schulchronik nicht als lästige Pflicht verstanden“. Wie der Stadtarchivar als Herausgeber des Heftes in seiner Ansprache weiter informierte, hat Lillinger seine gesamte Amtszeit als Lehrer in Gershasen verbracht. Er hat dort geheiratet, seine Söhne sind dort geboren und aufgewachsen. Er erlebte beide Weltkriege. Im Ersten wurde er als Soldat vor Verdun schwer verwundet. Seitdem trug er eine Prothese. Im Zweiten Weltkrieg war Lillinger Zeitzeuge der Bombardierung von Westerburg. „Beide Kriege nehmen in seiner Chronik einen herausragenden Platz ein“, hob Klees hervor und las den Anwesenden einige Auszüge vor.
Ereignisse festgehalten
Da über private Angelegenheiten in der Schulchronik wenig zu finden war, stellte Klees Nachforschungen an. So auch über die Personalakten, die er im Landesarchiv Koblenz in Einsicht nahm. Mehrmals telefonierte der Stadtarchivar auch mit Alfred Loos, dem er für seine Unterstützung besonderen Dank aussprach. Der im Jahre 1932 geborene, pensionierte Beamte wohnt in Mainz und konnte ihm so manche Anekdote aus der Schulzeit erzählen. Neben Schule und Weltgeschehen beinhaltet die Chronik auch das Leben im Heimatort Gershasen. „Da hat Lillinger den Kopf hochgenommen, hat die Ereignisse nicht nur durchlitten, sondern bewusst aufgesaugt und festgehalten“, beschreibt es Klees.
Das Alte Backes in Gershasen als Ort der Buchpräsentation war passend gewählt. „In der Nähe war die alte Schule, die abgerissen wurde. Das Wohnhaus von Lillinger, das ebenfalls nicht weit entfernt ist, das steht noch“, erzählte Zeitzeugin Martha Zube. Die spätere Grundschule befindet sich heute in Privatbesitz. Im Alten Backes kann man neben dem alten Backofen im Erdgeschoss auch in den oberen Räumen auf Zeitreise gehen. In der guten Stube und auch den anderen Räumen sind zahlreiche Exponate ausgestellt.
Heft kann erworben werden
Das Heft 3 der „Schriften des Stadtarchivs Westerburg“ mit dem Titel „Im festen Bewusstsein, nur meine Pflicht getan zu haben“ - Die von 1908 bis 1946 vom Lehrer Lillinger geführte Schulchronik von Gershasen, wurde in einer Auflage von 200 Stück gedruckt und kann zum Preis von 5 Euro (Schutzgebühr) im Rathaus der Stadt Westerburg, beim Stadtarchivar, bei den Westerburger Buchhandlungen und in der Tourist-Information am Wiesensee erworben werden.